Autofahren mit Behinderung 2019

2019

Nach dem Vortrag: v.l.: Arne Richter (Vorsitzender "Die Mosaiksteine), Dr. med. Hannelore Hoffmann-Born (VmCC), Anita Poschmann (Vorsitzende VdK Urberach), Susanne Prenzel (stellvertr. Vorsitzende "Die Mosaiksteine")

Autofahren bei Behinderung

Infonachmittag von VdK Urberach und der „MosaikSteine“ am 9. September in der Kelterscheune Urberach
Die Teilnahme am Straßenverkehr hat eine besondere Bedeutung gerade für Menschen mit krankheitsbedingt eingeschränkter Mobilität. Deshalb ist es für sie wichtig, möglichst lange fahrtauglich zu bleiben. Frau Dr. med. Hannelore Hoffmann-Born vom Verkehrsmedizinischen Competenz-Centrum (VmCC) wies in ihrem Vortrag in der Kelterscheune Urberach auf Risiken und Möglichkeiten für diesen Personenkreis hin. Das VmCC ist ein unabhängiges Institut und berät in allen Fragen rund um die Verkehrsmedizin.

Das Hauptaugenmerk in Deutschland liege auf der Fahrzeugsicherheit. Regelmäßige TÜV-Untersuchungen seien gesetzlich vorgeschrieben. Die Hauptunfallursache sei jedoch menschliches Versagen.
Dies sei keineswegs nur alters- oder krankheitsabhängig. Das Klischee: Je älter desto unsicherer wäre genau so unzutreffend wie die Aussage, dass testosterongesteuerte junge Erwachsene die Straße unsicher machten. Nicht das Alter oder die Krankheit sondern die begleitenden Einschränkungen im Zusammenspiel mit Medikamenten seien die Ursachen für kritische Situationen im Straßenverkehr.
Es sei eine Binsenweisheit: kranke Fahrer haben eine verlangsamte Reaktion, u. U. eine Sehschwäche oder nachlassende Fähigkeiten des Multitaskings. Das ließe sich kompensieren durch größeren Abstand zum Vordermann, geringerer Geschwindigkeit, durch Routine oder einfach durch geändertes Fahrverhalten: Nicht in den Spitzenzeiten fahren, nicht bei schlechtem Wetter oder wenn man sich schlecht fühle.
Hier gelte es, selbstkritisch zu sein. Man sei für sich und die Fahrsicherheit selbst verantwortlich. Jemand mit Beeinträchtigung müsse Vorsorge treffen, damit er Auto fahren könne. Wer z. B. ein Fahrzeug führe obwohl er dazu nicht in der Lage sei, etwa durch fahren mit akuten Sehstörungen oder fahren trotz akuten neurologischen Störungen (bei Schub), mache sich strafbar (§ 315 STVO). Außerdem hätte das auch versicherungsrechtliche Konsequenzen.
Erkrankungen könnten im Zusammenspiel mit Medikamenten das Unfallrisiko drastisch erhöhen. Notwendige Medikamente könnten zwar Krankheitssymptome bessern, ja sogar die Fahrtüchtigkeit wiederherstellen. Bestimmte Medikamente jedoch würden das Autofahren ausschließen (Barbiturate, Cannabis).
Die Einzelfallsituationen bei Erkrankungen müssten mit dem Arzt abgeklärt werden, inwieweit sie sich und die verabreichten Medikamente auf die Fahrsicherheit auswirkten. Gerade bei neurologischen Erkrankungen äußere sich die Krankheit in den verschiedensten Symptomen: Sehstörungen, Fatigue, Spastik, stark verlangsamter Reaktion (auch durch Medikamente).
Bei lediglich körperlichen Ausfällen gebe es technische Maßnahmen, fast alle körperlichen Mängel ließen sich ausgleichen. Auch hier gelte die Eigenverantwortlichkeit, jedoch sei es die gesetzliche Pflicht der Ärzte, Patienten in Punkto Fahrsicherheit aufzuklären. In besonders schweren Fällen gebe es Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht (Offenbarungsbefugnis). Das heißt der Arzt könne mit den Angehörigen sprechen, mit dem Ziel, dass von dieser Seite auf den Patienten eingewirkt würde. Nach Meldungen oder bei bestimmten Vorkommnissen (Unfall) veranlasse die Führerscheinstelle ein Gutachten zur Fahrttauglichkeit der Betroffenen.
Verschiedene europäische Staaten führten verpflichtende Untersuchungen älterer oder kranker Autofahrer durch. In der Schweiz z.B. müsse sich jeder Senior ab 75 Jahren alle 2 Jahre begutachten lassen.
In Deutschland sei das nicht der Fall. Hier gebe es die Möglichkeit einer freiwilligen Überprüfung der Fahrtauglichkeit, z. B. durch VmCC oder dem ADAC. Bei unklarem Ergebnis könne man eine Fahrverhaltungsbeobachtung entweder bei den genannten Institutionen oder bei einer Fahrschule seines Vertrauens veranlassen. Dies diene zur eigenen Sicherheit und natürlich zur eigenen Beruhigung, wenn die Fahrtüchtigkeit attestiert würde.

Zusammenfassung

  • Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, den Patienten über seinen Gesundheitszustand aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er wegen seiner Krankheit, Behinderung oder Einnahme von Medikamenten nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen kann. Dieser Hinweis muss dokumentiert werden.
  • Ein Führerscheininhaber ist nicht verpflichtet, seine Krankheit der Führerscheinstelle zu melden. Im eigenen Interesse sollte er dies dennoch tun.
  • Jeder muss vor Antritt der Fahrt selbstkritisch prüfen ob er fähig ist, ein Fahrzeug zu führen.
  • Wer aufgrund von körperlichen oder geistigen Mängeln nicht mehr fähig ist, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen, muss sein Fahrzeug stehen lassen.
  • Wer nicht fahrtauglich ist und einen Unfall verursacht, macht sich strafbar. Außerdem ist mit versicherungsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.
  • Wer fahruntauglich erwischt wird, kann den Führerschein entzogen bekommen.
  • Was die wenigsten wissen: Aufsichtspflichtige Angehörige und Betreuer können für Schäden haftbar gemacht werden.